


Aus einer Antwort des Landrates auf eine Anfrage der Naturschutzverbände geht hervor, dass es von 2006 bis 2011 insgesamt 21 Schadensfälle an hiesigen Biogasanlagen gegeben hat, davon elf im Jahr 2011. Das sind die Fälle, die dem Kreis offiziell bekannt geworden sind.
Stand Dezember 2011 waren kreisweit 139 Biogasanlagen in Betrieb. Weitere sind inzwischen fertig geworden, befinden sich im Bau oder im Genehmigungsverfahren. Zugleich ist ein starker Rückgang des für viele Vogelarten wichtigen Grünlandes zu verzeichnen. Gab es 1995 noch 62.000 Hektar Wiesen im Kreis Rotenburg, waren es 2010 nur noch 40.000. Dafür ist in diesem Zeitraum ist die Ackerfläche um 20 Prozent auf jetzt 83.000 Hektar gestiegen. Auf 63 Prozent dieser Äcker – das sind 52.000 Hektar – wird Mais angebaut. Mehr als die Hälfte davon ist nur für Biogasanlagen bestimmt.
Welcher gesellschaftliche Nutzen steht den Gefahren für Boden und Gewässer und dem gewaltigen Flächenbedarf gegenüber? Alle 139 Biogasanlagen in Kreis Rotenburg zusammen kommen auf eine elektrische Leistung von 68 MW. Wollte man auch nur ein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzen, bräuchte man 15-mal so viele Anlagen – und für deren Betrieb 15-mal so viel Mais oder ähnlichen pflanzlichen Input.
Alle gut 1.000 in Niedersachsen installierten Biogasanlagen erzeugen gut 560 MW. Das entspricht einem halben Kernkraftwerk. Zum Vergleich: Mit installierten 1.500 MW Nennleistung kommt die Photovoltaik auf das Dreifache der Biogasbranche. Und alle Windräder in Niedersachsen haben eine installierte Leistung von zusammen 6.600 MW (Stand 2010). Allein der Zuwachs an Mühlen vor den Küsten betrug im ersten Halbjahr 2011 stolze 100 MW. (Nebenbei: Dass er in diesem Jahr stark eingebrochen ist, liegt daran, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung in Sachen Netzausbau nicht gerecht wird. Das sagen nicht nur wir als Opposition, sondern unabhängige Wirtschaftsinstitute.)
Liebe Leserinnen und Leser: Ich weiß, dass Biogasanlagen neben der elektrischen auch eine Heizleistung haben – auch wenn die allzu oft leider nicht für Wohnungen, sondern zum Beispiel für Hähnchenställe genutzt wird. Und ich weiß, dass Biogasanlagen unabhängig vom Wetter Strom erzeugen. Alle Zahlen zeigen dennoch: Bei der Energiewende kann Biogas nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
Wie wir lernen mussten, stehen dem Gefahren für Boden und Gewässer, Maismonokulturen, steigende Pachtpreise für die übrigen Landwirte und manchmal auch kaputte Feldwege und Lärm- und Geruchsbelästigungen für Anwohner gegenüber. Ich meine: Diese Bilanz sollte Anlass sein, bei der Genehmigung neuer Anlagen restriktiv zu entscheiden und bestehende gut zu kontrollieren und gegebenenfalls nachrüsten zu lassen.
Der „Schadensfall“ bei der erst ein Jahr alten Anlage in Hemslingen wird auf starken Niederschlag zurückgeführt. Was wäre eigentlich passiert, wenn es so heftig und lang anhaltend geregnet hätte wie im Sommer 2002?
Ihr Ralf Borngräber