
Die offiziellen Jubelmeldungen vom Arbeitsmarkt täuschen. Zwar hat die Zahl der Beschäftigten seit dem Jahr 2000 leicht zugenommen. Sie alle zusammen arbeiten aber weniger Gesamtstunden als damals. Das Arbeitsvolumen ist also gesunken. Dafür ist Zahl der Teilzeitstellen und der Minijobs stark angestiegen. Leiharbeit und Niedriglohnsektor ufern aus. Im westdeutschen Vergleich ist der durchschnittliche Buttojahresverdienst nur in Schleswig-Holstein geringer als bei uns.
In Niedersachsen gibt es pro Jahr nur acht Neugeborenen auf 1.000 Einwohner. Noch schlechter sieht es in den alten Bundesländern nur in Schleswig-Holstein und dem Saarland aus. Und im Fünfjahresvergleich ist der Geburtenrückgang in Niedersachsen sogar stärker als überall sonst – minus 5,8 Prozent. Offenbar fehlt eine Strategie zum Thema Demografie.
Stichwort Krippenplätze: Mit einer Betreuungsquote von 19,1 Prozent liegt unser Land im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz. Bildungsausgaben? 5.900 Euro pro Schüler und Jahr. 300 Euro weniger als im Bundesdurchschnitt. Nur drei von 16 Ländern sind noch knauseriger. Dazu passt, dass Niedersachsen auch hinsichtlich der Studienanfänger nur auf dem drittletzten Platz landet.
Diesen hinteren Rang belegen wir auch bei der Kulturförderung – rund 70 Euro pro Einwohner und Jahr. Ähnliches gilt für den Bereich Forschung und Entwicklung: Hiesige Firmen forschen weniger als die Unternehmen im Bundesdurchschnitt. Zu Anfang des Jahrtausends war das anders. Da müssen zwischenzeitlich irgendwelche Weichen falsch gestellt worden sein. Auch die Energiewende wird bei uns weniger vorangetrieben als anderswo.
Die Mängelliste ließe sich fortsetzen. Die Hausärzteversorgung ist schlechter als überall sonst in Westdeutschland. Die Krankenhäuser erhalten deutlich weniger Fördermittel. Die Pflegesatzvergütungen sind weit unterdurchschnittlich. Nirgendwo sonst in den alten Ländern arbeiten prozentual weniger Menschen im Zukunftssektor Gesundheit.
Nun könnte es ein kleiner Trost sein, wenn die niedrigen Ausgaben in den Bereichen Bildung, Soziales, Kultur, Umwelt und so weiter wenigstens zu einer einigermaßen guten Staatskasse geführt hätten. Aber nein. Von 2003 bis 2012 ist der Schuldenstand von 44 auf 59 Milliarden Euro gestiegen – plus 34 Prozent. Rechnet man den Verkauf von Tafelsilber und einige Schattenhaushalte hinzu, fällt die Bilanz um weitere 4,5 Milliarden Euro schlechter aus. Während die Einnahmen der Gemeinden und der Länder bundesweit zuletzt um 2,5 Prozent gestiegen sind, war das in Niedersachsen nur um 0,5 Prozent der Fall.
Von einem Haushaltsausgleich sind wir denn auch weit entfernt. Nach Schätzungen des Landesrechnungshofes fehlen Jahr für Jahr 1,85 Milliarden Euro. Umso unverantwortlicher war es, dass die Landesregierung im Bundesrat Klientel-Projekten wie dem Steuergeschenk für Hoteliers zugestimmt hat. Dadurch entgehen uns jährlich 230 Millionen Euro. Genug Geld für etwa 4.600 zusätzliche Lehrerstellen.
Ihr
Ralf Borngräber